Dokumentiert wurde diese langwierige Fleissarbeit im romanischen Dokumentarfilm «Far Kunscht». Seit 1993, also seit dem Ende ihrer Kunstausbildung in Barcelona, war Cajacob an fast jeder Jahresausstellung der Bündner Künstler/-innen im Churer Kunstmuseum vertreten. Ihre unprätentiösen und stillen Werke zeigte sie an vielzähligen Einzel- und Gruppenausstellungen von Küblis bis Berlin, wo sie dank einem Stipendium einige Monate verbrachte. Im Hotel Bregaglia in Promontogno sowie in den Alters- und Pflegeheimen Jenaz und Pontresina zieren filigrane Zeichnungsinstallationen Cajacobs die Wände. Der Kanton Graubünden wie auch die Stadt Chur ehrten sie mit mehreren Förderpreisen. Mit «Das täglich Brot» wagt sich Cajacob an ihre zweite Videoinstallation: In einem Holztrog werden die Aufnahmen von weiblichen Armen, die Teig kneten, projiziert. Die beschwerliche Handarbeit, wiedergegeben in der ursprünglichen Atmosphäre des Stalles, nimmt durch die sich immer wiederholende Projektion kein Ende. Inspiration für Cajacobs Installation ist unter anderem ein historischer Text von Dr. Karl Hager über «die Bündner Oberländerin» und ihre «schweren, langjährigen, nie erschlaffenden» Tätigkeiten: «Ihrer harrt sozusagen nie die beschauliche Ruhe». Das Leben der Bündner Oberländerin bildet damit einen Kontrast zur touristisch vermarkteten Beschaulichkeit und Idylle, welche die Bergdörfer auf Aussenstehende ausstrahlen.
Orte, Räume und Landschaften, virtuell oder fassbar, sind denn auch wichtige Elemente in Wilhelms Werken. Der Herausforderung des Raumes, die Lydia Wilhelm besonders fasziniert, stellt sie sich auch in der Stalla Libra. Die im Stall offen gelegte Baustruktur der Querbalken und Bretter, unverdeckt und skelettartig, versieht sie mit einer Konstruktion aus Holdreiecken, Kabelbinden und Metallseilen. Diese fremdartige Struktur bildet einen Kontrast zum Stallbau und ergänzt ihn gleichzeitig. Durch die minimal eingefügten geometrischen Figuren entstehen im verwaisten Stall neue Räume. Die Dreiecke, wie der Stall aus Tannholz gezimmert, hat Wilhelm erst vor Ort angefertigt – sie muss den real vorhandenen Ausstellungsraum kennen, um seine Architektur weiterentwickeln zu können.
Ihren Hauptmotiven – Landschaft, Verortung, Repetition – nähern sie sich mittels Fotografie, Video und Installationen. Für ihre Ausstellung «See how the land lies» (2006) im Bündner Kunstmuseum konzipierte das Künstlerpaar einen «Hasenstand», der anstelle des Niederwilds den Museumsbesucher aufschreckte. Gerber/Bardills Videoproduktionen stossen auf internationale Faszination bis hin zu Filmfestivals in Pfyn, Basel und New York. Für den sanierten Pausenplatz der Bündner Kantonsschule Chur entwarfen sie die futuristische Leiter «Hoch hinaus», die 2010 realisiert wurde. Das kreative Doppel Gerber/Bardill wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Swiss Art Award 2004 und dem Manor Kunstpreis 2006. Bereits in früheren Werken setzten sich Gerber/Bardill mit teilweise verwitterten, nutzlos gewordenen Ställen auseinander. Für «Tenner Ställe» (2007) fotografierten sie die Rückseite von 26 Scheunen in der Morgendämmerung, «an der Schwelle zu einer neuen Funktion oder Nichtfunktion». Im Januar 2011 führten sie im Rahmen des Projektes «Avenue» zwölf Prättigauer Schuppen durch inwendiges Ausleuchten einem neuen Glanz zu. «Tschut», die neue Arbeit in der Stalla libra, ist eine sich wiederholende Zeichentrickfilmsequenz. Auf ein Heutuch projiziert, trägt ein Mann ein junges Schaf auf seinem Rücken. Kaum aus dem Bild verschwunden, taucht das Jungtier galoppierend wieder auf, bis es der Mann wieder einfängt. Damit stellen Gerber/Bardill erneut die Sinnfrage von sich immer wiederholenden Abläufen. Diese Fragestellung taucht in neuerer Bündner Oberländer Alphirtenliteratur wie «Giacumbert Nau» auf, ist aber jedem auch aus dem eigenen Alltag bestens bekannt.
In der Stalla Libra macht Mirko Baselgia auf ein Thema aufmerksam, das ihn schon in Arbeiten wie «LaizLaiz» beschäftigte und ausgezeichnet zur ruralen Umgebung passt: Landwirtschaftliche Produkte, insbesondere die Milch. Vor dem Eingang der Stalla installiert er eine Menukarte, die den Auftakt seiner «praula dil latg» bildet. Das Projekt entstand in Zusammenarbeit mit Andrin C. Willi. Dieser kennt sich mit kulinarischen Phantasien aus, ist er doch Chefredaktor der Zeitschrift «Marmite», die sich mit Ess- und Trinkkultur auseinandersetzt.
Mit ihrem ersten Dokumentarfilm «In pass lung – ein langer Lauf», in welchem sie einen leukämiekranken Jungen begleitet, wurde sie 2009 an das Solothurner Filmfestival eingeladen. Flurina Badel bildet gemeinsam mit dem freien Journalisten, Theatermacher und Klangkünstler Jürg Gautschi den festen Kern des Künstlerkollektivs «farfar». Heuer zeigte farfar seine erste Theaterproduktion «ICHBUERO», welche den modernen Drang zur Selbstfindung auf witzig-irrwitzige und doch auch poetische Art thematisiert. Flurina Badel lebt und arbeitet in Graubünden und Basel. In der Stalla Libra ist Flurina Badel mit zwei Arbeiten vertreten, die beide das zwiespältige Verhältnis zwischen Mensch und Natur thematisieren: das in ihr Geborgen-Sein einerseits und das ihr Ausgeliefert-Sein andererseits. Im Hauptraum des alten Heustalls steht die Video-Installation «my beetroot story», eine Art Gletschermühle aus Stoff, in deren Schlund sich langsam und unaufhörlich eine Frau in einer roten Flüssigkeit dreht, bis sie versinkt, um wieder von neuem aufzutauchen. Klänge aus dem Innern des Stoffgletschers begleiten sie, treiben sie an und wieder fort. Um die Öffnung herum liegen Tierknochen und Schädel, darüber schweben Vogelflügel. «my beetroot story» entstand in Zusammenarbeit mit Jürg Gautschi.